Umweltprojekt und Corona - mit neuen Ideen gegen die Krise

Pro Pomasqui
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Hallo Maritza und Sebastian, vielen Dank, dass ihr euch die Zeit nehmt, unsere Fragen zu beantworten. Könntet ihr euch als Erstes kurz vorstellen?

Maritza: Buenos días, mein Name ist Maritza Chiluis. Ich bin Umweltingenieurin und 27-jährig.

Sebastian: Mein Name ist Sebastian Chiriboga, ich bin 25 Jahre alt. Seit 2017 bin ich Umweltingenieur.

 

Wie hat die Corona-Krise eure Arbeit beeinflusst?

Die ersten Massnahmen der Regierung haben einige Unsicherheit über unseren Arbeitsplan ausgelöst. Das Einsammeln der Abfallsorten war plötzlich nicht mehr möglich wie vorher, weil Fahrzeuge und Menschen sich nur stark eingeschränkt bewegen durften. Gleichzeitig schlossen viele Firmen und nahmen unsere Dienstleistung nicht mehr in Anspruch.

Ebenfalls waren wir bei allen Arbeiten in der Stiftung eingeschränkt, weil die Patenfamilien nur noch bis 13.30 Uhr aus dem Haus durften. Weil zeitgleich der Weltpreis für Erdöl stark sank, konnten wir unseren Recyclingplastik nur noch zu einem tieferen Preis verkaufen. Leider mussten wir auch die Wiederaufforstung auf dem Berg Casitahua (auf dem im letzten Herbst ein Waldbrand wütete, Anm. d. Redaktion) einstellen.

 

Welche Aufgaben konntet ihr fortsetzen, welche nicht?

Die Abfallentsorgung konnten wir nur für vier Firmen weiterführen, die als systemrelevant galten (Nahrungsmittelproduktion und Gesundheitszentren) und deshalb zu 50 % arbeiten konnten. Komplett stoppte die Entsorgung von organischen Abfällen von Hotels und Restaurants. Insgesamt waren es 12 Firmen, die unsere Dienstleistungen nicht mehr beanspruchten.

Als die Stadt die Gefahrenstufe von Rot auf Gelb herabsetzte, und angesichts der Notwendigkeit, Umsatz zu generieren, starteten wir das Projekt «Recyceln während Covid-19». Es besteht darin, Abholrouten durch Quito zu planen und diese über soziale Medien wie Facebook, Instagram und Whatsapp Business zu kommunizieren. So erreichten wir verschiedene Quartiere, von denen wir den während der Pandemie entstandenen Abfall abholen konnten. Daraus wurden inzwischen feste Routen durch verschiedene Stadtteile definiert. Wir arbeiten an der Erweiterung des Projekts und sind zuversichtlich, dass wir weitere Personen und Firmen gewinnen können, deren Abfall wir auf diese Weise abholen können.

Die Umweltbildungsaktivitäten mussten wir während der Krise einstellen.

 

Wie habt ihr für die Sicherheit der Angestellten gesorgt?

Wir haben alle Angestellten des Recycling-Projekts (Chauffeure und Arbeiter) mit Biosicherheitsanzügen, Schutzbrillen, Gesichtsschutz, KN95-Masken und Handschuhen ausgerüstet. Weiter erhielten sie Desinfektionsmittel und Flüssigseife. Auf dem Abfalllastwagen haben wir einen Wassertank und eine Desinfektionspumpe angebracht, um damit die eingesammelten Abfälle zu desinfizieren.

Bioseguridad

Mitarbeiter beim Desinfizieren der gesammelten Abfälle.

Die Fahrzeuge werden täglich desinfiziert, und die Mitarbeitenden erhielten eine Schulung für persönliche Schutzmassnahmen und den Umgang mit der Bevölkerung.

Eine weitere Massnahme war die temporäre Suspendierung unseres Mitarbeiters Octavio Lema (er wurde in einem vergangenen Newsletter vorgestellt, Anm. d. Redaktion), der aufgrund seiner physischen Verfassung zur Risikogruppe gehört.

 

Wie war die Lage für euch in den vergangenen Monaten?

Maritza: Die Zeit der Gefahrenstufe Rot war eine von grosser Furcht und Unsicherheit. Etwas Ruhe gab mir meine Familie und die Sicherheit, weiterhin ein Grundeinkommen zu haben.

Sebastian: Während der Gefahrenstufe Rot habe ich entschieden, meine Familie für einen Monat nicht zu sehen, um gefährdete Personen nicht einem Ansteckungsrisiko auszusetzen. Wir haben vollständig zu Hause gearbeitet und waren nur einmal pro Woche bei der Stiftung SEMBRES vor Ort. Als die Stufe auf gelb reduziert wurde, konnten wir mit «Recyceln während Covid-19» beginnen und arbeiteten wieder vermehrt vor Ort. Wir begannen, Umweltbildungs-Workshops via Zoom anzubieten und konnten neu auch wieder klassifizierte und verpackte Abfallmaterialien entgegennehmen.

 

Kennt ihr betroffene Familien?

Ja, wir kennen mehrere Familien, in denen sich jemand mit dem Virus angesteckt hat – auch hier in Pomasqui. Es ist unklar, wo sie sich angesteckt haben; in jedem Fall litten die betroffenen Personen gesundheitlich stark und verdienten auch kein Geld mehr, weil sie nicht mehr arbeiten durften. In anderen Fällen wurden Familienmütter und -väter entlassen, weil ihre Arbeitgeber eingingen. Teilweise entliessen Firmen in dieser Zeit aber auch Mitarbeitende, weil sie so vermeiden konnten, ihnen die sonst bei Kündigungen fällige Entschädigung auszahlen zu müssen.

 

Ihr wart auch während der Krise sehr aktiv. Woran habt ihr gearbeitet?

Die Pandemie hat es geschafft, dass in Ecuador ein lange vergessenes Umweltbewusstsein erwacht ist. Wir haben durch «Recyceln während Covid-19» festgestellt, dass ein Grossteil der Bevölkerung die Bedeutung von Recycling nicht versteht; ohne Zweifel besteht aber Interesse, es zu lernen und anzuwenden. Dafür bieten das Recyclingprojekt und die Umweltbildung eine gute Kombination von Instrumenten.

Durch diese Erfahrungen haben wir die Notwendigkeit erkannt, den Recycling-Lastwagen besser auszurüsten. Das neue hydraulische und elektronische System auf der Ladebrücke steigert die Effizienz beim Abfall sammeln und schont die Gesundheit der Angestellten.

Hydraulik

Hydraulische Klappe auf der Ladebrücke.

Die Recyclinghalle ist Dreh- und Angelpunkt des Projekts – sie wurde um ein Dach erweitert, unter dem klassifizierte Abfälle verarbeitet werden. So haben wir die Möglichkeit, mehr Material in gutem Zustand zu sammeln und zu verkaufen.

Durch die vereinbarten Touren zu verschiedenen Wohnüberbauungen entstand irgendwann die Idee, Sammelbehälter anzubieten; so können an den Sammelstellen grössere Mengen von Abfall abgeholt werden. Die Wohnüberbauungen erhalten im Gegenzug Kompost und Pflanzen von uns.

Behälter

Montage der Sammelbehälter.

Weiter haben wir Industrien gesucht, die Abfälle verursachen, die vorher nicht abgeholt wurden, wie Elektronik, Kabel und Tetrapaks. Ebenfalls arbeiten wir daran, die Zulassung für die Rücknahme von altem Kochöl zu erhalten.  So kann SEMBRES eine längere Liste an Abfallsorten bieten, die entsorgt werden – und die Menge an Müll senken, die in der Deponie von Quito landet.

Neu ist zudem das Angebot, die festen organischen Abfälle von Haushalten abzuholen, und dafür eine Gebühr zu verlangen. Nach vier Monaten erhalten diese Haushalte den Kompost zurück, der aus ihren Abfällen entstanden ist.

 

Vielen Dank, Maritza und Sebastian, für eure Auskünfte!

Auch wir möchten uns bei den Gönnerinnen und Gönnern bedanken – nur dank Ihrer Unterstützung konnten wir die Ausgaben bewältigen, die im Umweltprojekt auch während der Krise angefallen sind, und an der Erreichung unseres gemeinsamen Ziels weiterarbeiten.